Wenn schlum­mern­de Kraft­pa­ke­te er­wa­chen

Bericht der Saarbrücker Zeitung was jetzt im Wald blüht

 

Es grünt und blüht über­all.   Die Na­tur ex­plo­diert.  Die­sen Ein­druck ha­ben vie­le im Mai.  Dass dies so ist, da­für sor­gen klei­ne Knos­pen.  Na­tio­nal­park­förs­ter Kon­rad Funk er­zählt,  war­um und wie man die­se un­ter­schei­den kann.

Klei­ne Knos­pen­kun­de:

1 Berg­ahorn, 2 Wal­nuss, 3 Vo­gel­bee­re, 4 Mehl­bee­re, 5 Berg­ahorn, 6 Wal­nuss, 7 Trau­ben-Ho­lun­der, 8 Sal­wei­de männ­li­che Blü­te, 9 Berg­ahorn, 10 As­pe ( Es­pe, As­pe, Zit­ter­pap­pel, al­les die glei­che Baum­art), 11 Er­le, 12 Vo­gel­bee­re, 13 Sal­wei­de männ­li­che Blü­te, 14 Ess­kas­ta­nie, 15 Spit­zahorn, 16 Rot­bu­che, 17 Sal­wei­de männ­li­che Blü­te, 18 Wal­nuss, 19 Spit­zahorn, 20 Er­le, 21 Berg­ahorn, 22 Vo­gel­bee­re, 23 As­pe, 24 Wal­nuss, 25 Sal­wei­de weib­li­che Blü­te, 26 Vo­gel­kir­sche, 27 Spit­zahorn, 28 Vo­gel­bee­re,       29 Rot­bu­che, 30 Ess­kas­ta­nie, 31 Sal­wei­de männ­li­che Blü­te, 32 Ross­kas­ta­nie, 33 Esche, 34 Lin­de, 35 Sal­wei­de männ­li­che Blü­te, 36 Ei­che

VON KON­RAD FUNK

Noch sind die Laub­bäu­me im Na­tio­nal­park Huns­rück-Hoch­wald recht kahl. Aber die An­la­gen für das neue, fri­sche Grün, das spä­tes­tens An­fang Mai aus­schla­gen wird, sind schon seit Mo­na­ten an­ge­legt – in den Knos­pen. Das fros­ti­ge, teil­wei­se aber auch son­ni­ge Wet­ter der ver­gan­ge­nen Ta­ge hat vie­le Be­su­cher zu ei­nem Spa­zier­gang in den Wald ge­lockt. Zwar steigt der Saft be­reits in den Bäu­men, doch noch schlummert der Wald im Win­ter­schlaf auf den Hö­hen­la­gen des Huns­rücks.

Wer die Bäu­me oh­ne Laub er­ken­nen will, muss am Bo­den nach den halb ver­rot­te­ten Blät­tern su­chen oder, bes­ser noch, er schaut sich Knos­pen und Rin­de der Bäu­me an. Und mit den Knos­pen ist das gar nicht so schwie­rig, wie viel­leicht vie­le auf den ers­ten Blick glau­ben. Man muss sich nur ein­mal das Sys­tem klar­ma­chen und dann kann man auch ganz ge­zielt vor­ge­hen.

Aber vor­weg sei ge­sagt, dass die Knospen bereits in der ver­gan­ge­nen Ve­ge­ta­ti­ons­pe­ri­ode an­ge­legt wur­den und zwar an den Kno­ten (den so­ge­nann­ten No­di­en) in den Ach­seln der Blät­ter. Aus ei­ner Knos­pe kommt auch nicht nur ein ein­zi­ges Blatt, son­dern gleich ein gan­zer Spross (Trieb) mit meh­re­ren Blatt­anlagen (Laub­knos­pen) oder Blü­ten (Blü­ten­knos­pen) oder bei­des (ge­misch­te Knos­pen).

Man kann sich al­so leicht vor­stel­len, dass da­für die Pflan­zen ei­ni­ges an En­er­gie in­ves­tiert ha­ben und dass die­se klei­nen Kraft­pa­ke­te den Re­hen im Wald, so­weit sie die­se er­rei­chen kön­nen, gut schme­cken müs­sen. Die emp­find­li­chen Ge­we­be im In­nern der Knos­pen sind in der Re­gel durch Knos­pen­schup­pen, im bo­ta­ni­schen Sin­ne Nie­der­blät­ter, ge­schützt, die das Aus­trock­nen ver­hin­dern. Dar­über hin­aus ver­voll­stän­di­gen Haa­re, von Drü­sen­haa­ren ab­ge­schie­de­ne Har­ze oder Wachs­über­zü­ge (zum Bei­spiel bei der Ross­kas­ta­nie) in vie­len Fäl­len die­sen Win­ter­schutz.

Von ge­schlos­se­nen Knos­pen spricht man, wenn die Knos­pen­schup­pen die Knos­pen fest und lü­cken­los ein­hül­len (Ei­che, Bu­che, Ahorn, Esche und an­de­re). Als halb­of­fe­ne Knos­pen wer­den Knos­pen be­zeich­net, bei de­nen be­son­ders an der Spit­ze die Schup­pen aus­ein­an­der klaf­fen und den Blick in das Knos­pen­in­ne­re frei­ge­ben (schwar­zer Ho­lun­der). Nack­te Knos­pen lie­gen vor, wenn über­haupt kei­ne Knos­pen­schup­pen vor­han­den sind. In die­sem Fal­le sind die ge­fal­te­ten Blatt­or­ga­ne, die sich im Früh­jahr zur end­gül­ti­gen Form und Grö­ße ent­wi­ckeln, zum Schut­ze sehr stark be­haart, zum Bei­spiel bei dem Strauch Wol­li­ger Schnee­ball. Bei ge­schlos­se­nen und of­fe­nen Knos­pen ist die Zahl der Schup­pen von Art zu Art un­ter­schied­lich. So wer­den die Knos­pen der Wei­den von ei­ner ein­zi­gen, ka­pu­zen­för­mi­gen Schup­pe um­hüllt, wäh­rend zum Bei­spiel Ei­chen, Bu­chen, Ul­men, Pap­peln und an­de­re ei­ne Viel­zahl von Knos­pen­schup­pen be­sit­zen.

Auch die Knos­pen­stel­lung kann für die Baum­be­stim­mung ei­ni­ges sa­gen. Lang- und Kurz­trie­be tra­gen in der Re­gel an ih­rer Spit­ze ei­ne ein­zel­ne End­knos­pe (even­tu­ell mit so­ge­nann­ten klei­ne­ren Bei­knos­pen). Beim Flie­der und dem Trau­ben­ho­lun­der sind an der Spit­ze der Zwei­ge meist zwei Knos­pen an­zu­tref­fen. Es han­delt sich da­bei um kei­ne ech­ten Knos­pen wie zum Bei­spiel beim Ahorn, son­dern um Sei­ten­knos­pen, die durch das Ab­ster­ben der Trieb­spit­ze end­stän­dig ge­wor­den sind. Beim Flie­der im Gar­ten spricht man auch von der so­ge­nann­ten di­cho­to­men Ver­zwei­gungs­art, da die bei­den gleich­wer­ti­gen Knos­pen im­mer zwei gleich­wer­ti­ge Trie­be ent­ste­hen las­sen. Bei den Wald­bäu­men hin­ge­gen wün­schen sich die Förs­ter, dass die End­knos­pen in der Haupt­ach­se, die so­ge­nann­te Ter­mi­nal­knos­pe, un­ge­teilt und oh­ne Win­dun­gen ei­nen ker­zen­ge­ra­den Leittrieb ent­wi­ckeln und so zu ei­nem ge­ra­den Baum­schaft füh­ren. Ty­pisch hier­für sind Esche und Ahorn. Wird die End­knos­pe hier ab­ge­fres­sen oder bricht aus, stei­gen meist zwei oder meh­re­re Sei­ten­knos­pen ge­ra­de­zu gleich­mä­ßig auf. Bei zwei Knos­pen ent­ste­hen zwei Trie­be (spä­ter even­tu­ell gar zwei Stäm­me, so­ge­nann­te Zwie­sel), bei drei Knos­pen drei Stäm­me und so fort.

Im Na­tio­nal­park Huns­rück-Hoch­wald spielt die Wachs­tums­form kei­ne Rol­le, hier wird kein ge­rad­schäf­ti­ges Wert­holz her­an­ge­zo­gen. Die Bäu­me kön­nen hier viel­mehr zei­gen und aus­le­ben, was ge­ne­tisch al­les in ih­nen steckt.

Die Knos­pen­grö­ße ist ähn­lich wie die spä­te­re Blatt­grö­ße ab­hän­gig vom Ent­ste­hungs­ort. Knos­pen und spä­te­re Blät­ter im Schat­ten oder un­te­ren Baum­be­reich sind klei­ner als sol­che in der Kro­ne. Die Knos­pen von Stock­aus­schlä­gen kön­nen ge­ra­de­zu gi­gan­tisch wir­ken, be­kom­men sie doch al­le Kraft der Wur­zeln des ge­fäll­ten Bau­mes ab. Da­her soll­te man grund­sätz­lich kei­ne Knos­pen von Stock­aus­schlä­gen, Wur­zel­aus­schlä­gen oder Was­ser­rei­ßern zur Be­stim­mung her­an­zie­hen. So hilft bei der Be­stim­mung al­so auch nicht die Grö­ße der Knos­pen an sich, son­dern eher ih­re Far­be oder die Stel­lung am Zweig wei­ter.